Informationen zur Anti- Hormontherapie bei Brustkrebs

Chancen, den Brustkrebs zu besiegen

Bereits wenige Tage nach dem ersten Verdacht auf Brustkrebs liegt das Ergebnis der Gewebeuntersuchung (Biopsie) vor. Dieses histologische Gutachten gilt als der Steckbrief des Tumors, der über den weiteren Behandlungsverlauf entscheidet. Das bedeutendste Ergebnis der geweblichen Untersuchung ist die Bestätigung oder Verneinung der Verdachtsdiagnose Brustkrebs.

Für den Fall, dass die Gewebeuntersuchung zeigt, dass es sich bei dem Tumor um eine bösartige Wucherung (Krebs) handelt, ist es wichtig zu erfahren, ob sein Wachstum von Hormonen (z.B. Östrogen) abhängig ist. Dazu wird bei der Untersuchung bestimmt, ob die Krebszellen Hormonrezeptoren aufweisen. 70 bis 80 Prozent der Frauen haben einen solchen, "Hormonrezeptor-abhängigen" Krebs und damit die Möglichkeit, den Brustkrebs mit einer Anti-Hormontherapie zu bekämpfen.

Die Anti-Hormontherapie wird entweder allein oder in Kombination mit einer Chemotherapie gegeben. Die Entscheidung darüber trifft der Arzt gemeinsam mit seiner Patientin unter Einbezug Ihres persönlichen Risikos. Für den Fall, dass der Brustkrebs nicht gestreut hat und vollständig operativ entfernt werden konnte, spricht man von einer adjuvanten, d. h. vorbeugenden Therapie (als Primärtherapie gilt bei Brustkrebs die Operation).

Drei Formen der Anti-Hormontherapie

Ist ein Brustkrebs Hormonrezeptor-positiv, dann bindet Östrogen an den Hormonrezeptor in der Tumorzelle und stimuliert somit das Wachstum des Tumors. Wird einem stark östrogen-abhängigen Tumor das Hormon entzogen, so wird er am Wachstum gehindert und bildet sich im besten Falle komplett zurück. Das Prinzip der Anti-Hormontherapie ist deshalb, durch möglichst vollständigen Östrogen-Entzug den Krebs zu bekämpfen.

Die heute wichtigsten Formen der Anti-Hormontherapie sind:

  Vorgang und Substanz(en) Kurzerklärung des Wirkprinzips Einsatz
A Blockade durch Anti-Östrogene (Tamoxifen) Synthetische Anti-Östrogene besetzen die Hormonrezeptoren, so dass die "echten" Östrogene nicht mehr am Tumor andocken können. Vor und nach den Wechseljahren = prä- und post-menopausal
B Stillegen der Hormonproduktion in den Eierstöcken (GnRH-Analoga) Bei jüngeren Frauen spritzt man GnRH-Analoga, um die für die Hormonproduktion zuständigen Eierstöcke künstlich "still zu legen". Vor den Wechseljahren = prämenopausal
C Stoppen der Hormonbildung durch Anti-Aromatase-
Wirkstoffe
Mit Hilfe des Enzyms Aromatase produziert der Körper auch nach den Wechseljahren noch Östrogen (Muskel- Fettgewebe und Tumor). Durch Hemmen oder Ausschalten der Aromatase wird die Produktion des Hormons schon in der Vorstufe gestoppt. Nach den (natürlichen oder künstlich erzeugten) Wechseljahren = postmenopausal
Östrogen-Tumorwachstum
Östrogen-Tumorwachstum

Die Grafik zeigt, wie das Hormon Östrogen (rot) an das hormonempfindliche Protein (schwarz) bindet, Signale (Blitz) an den Zellkern (gelber Kreis) aussendet und somit das Tumorwachstum fördert. Wenn Anti-Aromatase-Wirkstoffe die Östrogenbildung blockieren, wird somit das Tumorwachstumssignal unterbunden, was zum Absterben des Tumors führen kann.

Standardtherapie

A. Blockade der Rezeptoren: Die Standardtherapie

Die heute noch überwiegend eingesetzte Standardtherapie besteht darin, bei hormonabhängigen Tumoren durch so genannte Anti-Östrogene die Hormonrezeptoren des Tumors zu besetzen. Dies hat zur Folge, dass das echte Östrogen nicht mehr andocken und den Krebs zum Wachsen anregen kann. Der älteste und am häufigsten verwendete Wirkstoff dieser Gruppe ist Tamoxifen, seinerzeit ein Meilenstein in der Brustkrebs-Forschung. Brustkrebs-Patientinnen nehmen das Medikament, dessen Wirksamkeit hinlänglich bewiesen ist, üblicherweise fünf Jahre lang ein. Neben verbesserten Heilungschancen hat Tamoxifen gerade nach den Wechseljahren einen Zusatznutzen auch im Hinblick auf die Knochengesundheit gezeigt. Die Substanz verursacht jedoch auch Nebenwirkungen, die aus den Wechseljahren bekannt sind: Schweißausbrüche, Hitzewallungen, nachlassende sexuelle Lust, Depressionen usw.. Besonders problematisch ist, dass Tamoxifen einen übermäßigen Aufbau der Gebärmutterschleimhaut fördert. Das Risiko für die Patientin, an dieser Stelle einen weiteren Tumor zu entwickeln, steigt während einer fünf Jahre langen Einnahme von Tamoxifen um das Vierfache an. Auch das Risiko für lebensgefährliche Blutgerinnsel (Thrombosen, Embolien) steigt unter der Einnahme von Tamoxifen.

GnRH-Analoga

B. Stilllegen der Hormonproduktion:
GnRH-Analoga vor den Wechseljahren

Da Tamoxifen zwar die Hormonrezeptoren blockiert, aber nicht den Östrogenspiegel senkt, erhalten Frauen vor den Wechseljahren oft zusätzlich eine Behandlung durch GnRH-Analoga. Sie werden alle vier oder zwölf Wochen unter die Bauchdecke gespritzt und legen durch Eingriff in den Hormonhaushalt die Östrogenproduktion der Eierstöcke still. GnRH-Analoga erzeugen also eine künstliche Menopause und sind eine Alternative zur operativen Entfernung der Eierstöcke.

Anti-Aromatase-Wirkstoffe

C. Stoppen der Hormonbildung:
Anti-Aromatase-Wirkstoffe sind im Kommen!

Nach den Wechseljahren wird in den Eierstöcken nur geringste Mengen an Östrogen produziert. Aber das Enzym Aromatase sorgt dafür, dass an anderen Stellen im Körper (z. B. Leber, Fettgewebe, Muskulatur, Tumorgewebe), weiterhin Östrogen entsteht. Deshalb wurden Medikamente entwickelt, die nicht am Hormonrezeptor, sondern schon an der Vorstufe des Problems ansetzen: Die Anti-Aromatase-Wirkstoffe hemmen das Enzym Aromatase bzw. inaktivieren es im Falle von Exemestan dauerhaft, so dass es kein Östrogen mehr bilden kann. Wie bei der Behandlung des fortgeschrittenen (metastasierten) Brustkrebses, sind die Anti-Aromatase-Wirkstoffe im Begriff, dem Standard Tamoxifen auch in der adjuvanten Therapie den Rang abzulaufen. Denn sie sind wirksamer, dabei aber besser verträglich und haben weder ein erhöhtes Risiko für Gebärmutterschleimhautkrebs noch für Thrombosen. Aufgrund dieser Vorteile zeichnet sich ein Umdenken in der Behandlung von Brustkrebs bei Frauen nach der Menopause ab - vom Standard Tamoxifen zu einer Therapie die Anti-Aromatase-Wirkstoffen implementiert.

Die Grafik verdeutlicht die Wirkungsweise des Anti-Aromatase-Wirkstoffs Exemestan. Exemestan bindet irreversibel an das aktive Zentrum des Enzyms Aromatase und verhindert somit, dass die Östrogen-Vorstufe in das Hormon Östrogen umgewandelt wird. Auf diese Weise wird der Östrogenspiegel im Blut um über 97% gesenkt und das Wachstum von östrogen-abhängigen Tumoren wirksam bekämpft.

Die drei AAWs

Die drei Anti-Aromatase-Wirkstoffe:
Exemestan, Anastrozol und Letrozol

Es sind derzeit drei Anti-Aromatase-Wirkstoffe (AAW) der 3. Generation im Handel: Exemestan, Anastrozol und Letrozol. Exemestan nimmt durch seine Androgen-ähnliche, „steroidale“ Struktur und sein einzigartiges Wirkprinzip eine besondere Stellung ein: Es bindet irreversibel an das Zentrum des Enzyms Aromatase, inaktiviert somit die Aromatase und schaltet dadurch seine Aktivität vollständig aus. Man spricht daher bei Exemestan von einem Aromatase-Inaktivator. Im Unterschied dazu binden die anderen („nicht-steroidalen“) Anti-Aromatase-Wirkstoffe (Letrozol, Anastrozol) reversibel an das Enzym und hemmen die Aromatase. Sie werden deshalb Aromatasehemmer genannt.

In der ATAC-Studie wurde deutlich, dass Anastrozol zwar das krankheitsfreie Überleben im direkten Vergleich mit Tamoxifen verbessert, ein großer Anteil von Frauen mit entsprechenden Tumoreigenschaften wie vorausgegangener Chemotherapie, positivem Lymphknotenbefund und bestimmter Hormonrezeptorsituation jedoch keinen Vorteil haben. Als Problem trat zudem auf, dass die Rate der Knochenbrüche unter Anastrozol erheblich anstieg. Als deutlich günstiger erwiesen sich alle Anti-Aromatase-Wirkstoffe im Hinblick auf das Endometrium und thromboembolische Ereignisse. Der Einsatz von Anastrozol statt Tamoxifen ist beim frühen Brustkrebs nur zur Therapie von Frauen zugelassen, die eine Kontraindikation für Tamoxifen aufweisen. Kontraindikationen sind entsprechend der Zulassung Endometriumveränderungen und erhöhtes thromboembolisches Risiko. Die Untersuchung von Letrozol in der MA17-Studie als Folgetherapie nach 5 Jahren Tamoxifen - verglichen mit Plazebo - zeigte, dass eine Verlängerung der Anti-Hormontherapie mit Letrozol bei Brustkrebs-Patientinnen mit tumorbefallenen Lymphknoten einen Gesamtüberlebensvorteil bringt.

Besonders interessant sind die Daten der großen internationalen IES-Studie mit Exemestan, die erstmals auf dem Europäischen Krebskongress EBCC 2004 veröffentlicht wurden. Danach haben Frauen nach einer Brustkrebsoperation eine höhere Chance, dass der Krebs nicht wieder ausbricht, wenn ihr Arzt die Folgebehandlung nach zwei oder drei Jahren Anti-Östrogen (Tamoxifen) auf Exemestan umstellt. Außerdem sinkt die Gefahr, dass die andere Brust betroffen wird, um über 50 Prozent. Auch das Risiko, dass Metastasen an anderen Stellen im Körper auftreten, wird durch Exemestan eindeutig verringert. Die Studienleiter empfehlen deshalb den Ärzten, eingehend zu prüfen, ob sie die betroffenen Frauen, wie bisher üblich, fünf Jahre lang mit dem Standardmedikament Tamoxifen behandeln oder statt dessen nach zwei oder drei Jahren auf Exemestan umstellen. Diese Umstellung wird in der Fachwelt als Frühe Adjuvante Sequenz-Therapie (FAST) oder als "Switch" (= Umstellung) bezeichnet.

Der Wirkstoff Exemestan ist in Deutschland bislang zugelassen zur Behandlung von Frauen nach den Wechseljahren mit fortgeschrittenem Brustkrebs nach Versagen einer Anti-Östrogen-Therapie, also Tamoxifen. Damit Exemestan künftig auch Frauen mit Frühem Brustkrebs zur Verfügung steht, wurde im Dezember 2004 in den USA und in Europa der Antrag für die Zulassung von Exemestan zur Frühen Adjuvanten Sequenz-Therapie (also zur Behandlung des noch nicht metastasierten Brustkrebs) gestellt. Die Zulassung wird für Mitte 2005 erwartet.

In der Verträglichkeit schneidet Exemestan gut ab: Ein Vergleich der veröffentlichten Studien zeigt, dass während der Einnahme von Exemestan weniger Gelenkschmerzen und Hitzewallungen auftreten als bei Tamoxifen. Jetzt hat auch die Auswertung der IES-Substudie hinsichtlich der Knochensituation für Exemestan positive Daten ergeben: Patientinnen, die sequenziell nach 2-3 Jahren Tamoxifen auf Exemestan umgestellt wurden, haben kein signifikant erhöhtes Osteoporoserisiko gegenüber Tamoxifen. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die Therapie mit Anti-Aromatase-Wirkstoffen für eine Abnahme der Knochendichte und, als Folge davon, für Osteoporose verantwortlich ist. In diesem Licht scheinen die neuen Daten aus der IES-Substudie ein weiteres Argument für die Frühe Adjuvante Sequenz-Therapie (FAST) mit Exemestan - nach 2 Jahren Tamoxifen - zu sein.

Empfehlungen

Forschung ist schneller als Bürokratie
Aktuelle Empfehlungen wichtiger Gremien und Fachgesellschaften

Die Forschung ist schneller als die Bürokratie: Von den Erkenntnissen in klinischen Studien bis zur Anwendung in der Praxis ist es ein langer Weg. Doch immer mehr überzeugende Daten bewirken ein Umdenken in der Anti-Hormontherapie - es gilt als sicher, dass Tamoxifen für den 5-jährigen Therapiezeitrum seine Stellung als Standard verliert und die Anti-Aromatase-Wirkstoffe an Bedeutung in der frühen Behandlung von Brustkrebs gewinnen. Anastrozol darf seit kurzem in der so genannten adjuvanten Situation verordnet werden, jedoch nur bei bestimmten Risiken. Exemestan ist zugelassen für die Behandlung von fortgeschrittenem Brustkrebs nach Versagen einer Anti-Östrogen-Therapie. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Arzneimittelbehörden neue Zulassungen erteilen, damit Frauen (nach den Wechseljahren) zu einem früheren Zeitpunkt ihrer Erkrankung mit Anti-Aromatase-Wirkstoffen behandelt werden können.

Viele Ärzte halten sich konsequent an die Zulassungen. Andere verordnen im Rahmen des rechtlich Machbaren auch Medikamente außerhalb der Zulassung, wenn die vorliegenden Daten einen größeren Nutzen für die Patientin erwarten lassen. Angesichts der Vielzahl laufender klinischer Studien und ständig neuer Daten ist es für Ärzte nicht leicht, immer auf dem neuesten Stand der Wissenschaft zu sein. Als Orientierungshilfe dienen daher medizinische Leitlinien und Empfehlungen von Fachgesellschaften. Eines der wichtigsten Gremien in Deutschland ist die Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie (AGO e.V.): Ihre „positive“ Bewertung für Anti-Aromatase-Wirkstoffe im allgemeinen und für einen Wechsel nach zwei bis drei Jahren Tamoxifen auf Exemestan im Besonderen gilt als richtungsweisend in der Anti-Hormontherapie. Diese Umstellung wurde von der AGO mit „1b / +“ bewertet. Dies ist die bestmögliche Benotung außerhalb der Zulassung. Im November 2004 hat das Expertenteam der Amerikanischen Gesellschaft für Klinische Onkologie (ASCO) ebenfalls detaillierte Empfehlungen für den Einsatz von Anti-Aromatase-Wirkstoffen ausgesprochen. Veröffentlicht und nachzulesen sind diese in Original (englisch) im Journal of Clinical Oncology.

Fortgeschrittener Brustkrebs

Länger leben mit Fortgeschrittenem Brustkrebs

Von fortgeschrittenem Brustkrebs spricht man, wenn der Tumor sich im Bereich der Brust weitausgebreitet hat (lokal fortgeschrittener Brustkrebs) oder wenn es zur Entstehung von Metastasen an anderen Stellen im Körper gekommen ist. Während der lokale Brustkrebs in der Regel kurativ behandelt wird, ist es das Ziel der Behandlung des metastasierten Brustkrebses, Beschwerden zu lindern, die Lebensqualität so gut wie möglich zu erhalten und die Lebenszeit zu verlängern. Früher wurden Patientinnen in dieser Phase der Erkrankung mit dem Gestagen Megestrolacetat oder mit dem Anti-Östrogen Tamoxifen behandelt. Heute sind die Anti-Aromatase-Wirkstoffe die Medikamente der Wahl.

Eine Untersuchung der Europäischen Organisation für die Erforschung und Behandlung von Krebs, EORTC 10951, verglich Exemestan mit Tamoxifen bei Patientinnen mit spät entdecktem und bereits fortgeschrittenem Brustkrebs. Die Auswertung ergab in wesentlichen Punkten deutlich bessere Resultate für Exemestan: Acht Prozent der mit Exemestan behandelten Frauen erlebten sogar eine Komplettremission (d.h. der Brustkrebs war bildgebend nicht mehr nachweisbar), mit Tamoxifen waren es nur drei Prozent. Bei sehr guter Verträglichkeit erreichte Exemestan eine Verlängerung des Überlebens ohne Fortschreiten der Krankheit von sechs auf zehn Monate. Auch im Hinblick auf die Nebenwirkungen wie Hitzewallungen, Knochenschmerzen und Vaginalblutungen zeigte sich der Anti-Aromatase-Wirkstoff Exemestan überlegen gegenüber Tamoxifen.

 

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